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Quartier: Caritasverband Darmstadt e.V. schließt Sozialstation für Alte und Kranke im 50. Jubiläumsjahr – Betroffene stehen im Regen

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Der Caritasverband Darmstadt e.V. hat seinen Kundinnen und Kunden in einem Schreiben vom 18. März 2024 mitgeteilt, dass er seine Sozialstation (Pflege und Unterstützung für SeniorInnen und chronisch kranke Menschen) zum 30. April 2024 schließen wird.

Die Caritas-Sozialstation Darmstadt würde in diesem Jahr ihr 50. Jubiläum feiern. Sie wurde im Jahr 1974 gegründet und war damals Pionier einer Bewegung zur Stärkung und qualitativen Verbesserung der Pflege von alten und kranken Menschen im häuslichen Umfeld.

Im sehr knapp gehaltenen Schreiben des Vorstandes der Caritasverband Darmstadt e.V. (siehe Anlage) an die vielen pflegebedürftigen Kundinnen und Kunden der Sozialstation werden die Gründe für die vollumfängliche Einstellung der Arbeit innerhalb kürzester Zeit kurz und knapp und recht lapidar geschildert:

„In den letzten Jahren standen auch wir als Sozialstation immer wieder vor großen Herausforderungen wie z.B. der Corona-Pandemie, Fachkräftemangel und steigenden Kosten in allen Bereichen sowie die Entwicklung des Marktes.“

Zusätzlich irritiert, dass auf keiner der zahlreichen Medienkanäle der Caritas über diese Schließung informiert wird. Bis zum heutigen Tag wird dort für die Leistungen der Darmstädter Sozialstation geworben. Will man etwa diese zentrale Hilfe nach 50 Jahren heimlich, still und leise zu machen?

Screenshot www.caritas-darmstadt.de vom 02.04.2024

Die Quartierarbeit von Zusammen in der Postsiedlung e.V. hat in seinen Beratungsgesprächen im Quartier Darmstadt-West und Alt-Bessungen in den vergangenen Jahren häufig die Caritas-Sozialstation Darmstadt empfohlen. „Die dortigen MitarbeiterInnen sind uns stets wegen ihrer großen Motivation, einer hohen fachlichen Kenntnis und vor allem großen menschlichen Einfühlungsvermögens positiv im Gedächtnis“, sagt Quartierarbeiter Bastian Ripper. Dieser kann dies – nebenbei bemerkt – auch ganz persönlich beurteilen, da seine eigene Großmutter (im Quartier lebend) in hervorragender Art und Weise von der Sozialstation gepflegt wurde. „Uns ist es daher ein großes Anliegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialstation Darmstadt erneut ein HERZLICHES DANKESCHÖN für ihre großartige Arbeit zuzurufen“, so Bastian Ripper weiter.

Nun haben sich mehrere Betroffene der Schließung an die Quartierarbeit von Zusammen in der Postsiedlung gewandt, da sie in kürzester Zeit einen neuen Pflegedienst organisieren müssen. Dies bedeutet für die Betroffenen enormen Stress und zugleich den Verlust von liebgewonnenen Pflegenden der Sozialstation.

Gleich auf mehreren Ebenen ist für uns die, fast schon als hektisch zu bezeichnende, Schließung der Sozialstation nach 50jähriger Tradition unverständlich. Stimmen aus der Mitarbeiterschaft unterstreichen dies eindrücklich. Nachdem die Caritas bereits vor Jahren die Kinderkrankenpflege und den SeniorInnen-Mahlzeitendienst in Darmstadt und Umland ersatzlos eingestellt hat und weitere Beratungsdienste nicht mehr zentral vorhält, schließt man mit der Sozialstation Darmstadt eine weitere Einrichtung, die man ohne Übertreibung zur DNA des Wohlfahrtsverbandes der katholischen Kirche zählen kann.

So erhält die Caritas nach wie vor rund 3 Millionen Euro jährlich aus Kirchensteuermitteln, um damit gerade die Dienste und Einrichtungen zu finanzieren, die aufgrund mangelnder öffentlicher Finanzierung bzw. der Agenda der eigenen christlichen Werte besonders zu fördern sind.

Kritische Stimmen aus dem Caritasverband behaupten gegenüber uns nun aber, dass der derzeitige Vorstand diese Gelder mitunter vor allem für den weiteren Ausbau von Einrichtungen und Diensten (zahlreiche Bauprojekte dokumentieren dies) verwendet, die eine starke Refinanzierung durch u.a. Steuergelder aufweisen. Allein in der Eingliederungshilfe für Menschen mit u.a. psychischer Erkrankung wurden den HinweisgeberInnen zur Folge angeblich über Jahre hinweg jeweils rund 1 Millionen Euro Überschuss erzielt – aus Steuergeldern, über den Landeswohlfahrtsverband (LWV).

Würde bedeuten: Man nutze diese Gelder in Teilen zum eigenen Vorteil in Bereichen, in denen man in Konkurrenz zu anderen Leistungserbringern stehe, baue dafür aber in Bereichen wie bspw. der Sozialstation Darmstadt, die temporär finanzielle Unterstützung benötigen, Leistungen ab.

Ein Hinweis aus den Reihen der Mitarbeitenden macht uns zuletzt besonders nachdenklich. Die Sozialstation Darmstadt hätte, da viele Mitarbeitende dort schon lange Jahre und Jahrzehnte arbeiten, eine angeblich „überalterte“ Belegschaft. Dies würde sich in hohen Eingruppierungen des Tarifvertrags (geht nach Jahren der Zugehörigkeit) und in einer altersbedingt höheren Krankheitsquote niederschlagen, welches beides angeblich Hauptgründe der angespannte finanziellen Verhältnisse wären.

Wenn diese Behauptung richtig ist, dann würde ein Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche, dessen Betriebsseelsorge vor jeder vor den Schließung stehenden Firma in der Region flammende Reden für die sozialen Rechte der Mitarbeitenden hält, eine fachlich hoch anerkannte Sozialstation nach 50 Jahren schließen, weil man sich der teuren Mitarbeitenden entledigen will.

Offen bleibt auch, was diese Schließung für die sieben weiteren Sozialstationen der Caritasverband Darmstadt bedeutet. Die vom Vorstand für die Schließung ursächlich genannten Gründe „Corona-Pandemie, Fachkräftemangel und steigenden Kosten in allen Bereichen sowie die Entwicklung des Marktes“ sind dort in identischer Art und Weise vorhanden.

Wir fordern daher den Caritasverband Darmstadt e.V. auf, diese Entscheidung zu revidieren und für eine gute und humane Pflege einzutreten, Verantwortung für seine Klientinnen und Klienten zu übernehmen. Einem Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche würde es gut zu Gesicht stehen, wenn er hierbei in der ersten Reihe stehen würde.