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Neubauten in Darmstadt-West: Ganz viel Leerstand – Streifzug durchs „Berliner Carree“ Haardtring / Ecke Berliner Allee

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Früher hat hier der Axel-Springer-Verlag mit riesigen Druckmaschinen die „Sport-Bild“ und „Bild der Frau“ gedruckt, heute stehen hier viele neue Wohnhäuser, ein Geschäftshaus und ein großer REWE-Supermarkt mit benachbarter Bäckerei: Das von der Immobilienfirma so getaufte „Berliner Carree“.

Berliner Carree – Blüte. Baukunst. Lebensart – mitten in Darmstadt.“ So lautet der offizielle Slogan der Investoren auf der schicken Seite unter: https://berliner-carree.de/ Dort noch zu finden: Die Benennung der Gebäude nach Marlene Dietrich, John F. Kennedy, dem Berliner Alexanderplatz. Das Parkhaus nach Checkpoint Charlie. Eines ist damit ganz klar: Hier ist die Welt zu Hause, für weniger machen es die Investorengemeinschaft BSM Biskupek Scheinert Moog, die Jöckel Projektentwicklungsgesellschaft und die Reinhard Unternehmensgruppe nicht. Ganz großes Kino soll hier stattfinden! Aber ohne Schießbefehl, wie einst am Checkpoint Charlie…

Anlässlich des Richtfestes 2019 war auch der Oberbürgermeister da: „Ich begrüße es deshalb sehr, dass an der Berliner Allee neben einem neuen Wohnungsangebot für alle Einkommensschichten auch die Nahversorgung im Verlegerviertel gestärkt wird“, so Partsch. (Quelle: https://www.bsm-invest.de/de.news.cityraum-hisst-richtkrone-im-berliner-carree.html )

Seit dem Erstbezug im Jahr 2021 ist einige Zeit vergangen. Auffällig war, dass im Anzeigen-Blatt „Bessunger Neue Nachrichten“ über Monate hinweg ganzseitige Anzeigen von Dächert-Immobilien zu finden waren, welche immer einen Stapel von Wohnungen anbot. So auch aktuell: https://www.daechert-immobilien.de/Darmstadt/Stadtnah-Wohnen-obj-5815-044.html

Wer sich vorstellen kann, für eine knapp über 50 Quadratmeter große Wohnung eine Warmmiete von 19,- Euro den Quadratmeter zu zahlen, der findet hier ein zu Hause. Oder 3-Zimmer mit 90 Quadratmetern für 1735,- Euro warm? Bitteschön!

Dann muss es hier doch bestimmt schön sein, oder?

Natürlich ist es so wie immer: Da bauen Darmstadts bekannteste Investoren so schöne Häuser für die Menschen, benennen die Gebäude nach Weltstars und historischen Figuren und Plätzen, platzieren sogar noch ein paar grüne Sträucher vor den Häusern. Und dann? Nimmt das undankbare Darmstädter Volk dieses prächtige Wohnangebot nicht an!

Leerstand und nicht wenige Ein- und Auszüge in kurzer Zeit. Den Leerstand kann man selbst feststellen: Spazieren sie doch mal zwischen den Blöcken entlang und schauen auf die Klingelschilder. Oder bleiben sie zu Hause und besuchen die Internetseite von Dächert Immobilien 😉 Wobei da nicht der gesamte Leerstand angeboten wird – wäre wohl doch zu peinlich.

Dann haben wir einfach mal auf gut Glück ein paar der dortigen MieterInnen befragt, was sie denn so denken. Natürlich ist das Ergebnis der vier Menschen, die wir befragt haben, absolut subjektiv und hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage. Trotzdem sind sie spannend: „Ich hatte keine Lust mehr auf die Pendelei nach Darmstadt. Jetzt wohne ich hier vorübergehend und suche eine schönere und billigere Wohnung“. „Die Wohnung ist viel zu teuer, wir wollen hier weg.“ „Wohnsilo“. „Wir können die Wohnung zwar bezahlen, finden die Architektur aber schrecklich.““Ständig ziehen Leute nach kurzer Zeit wieder aus, hier bleiben viele nicht lange.““Der REWE nebenan ist super!“.

Hmh. Klingt insgesamt nach einer weiteren Investoren-Erfolgsgeschichte im Quartier Darmstadt-West…

Wir fragen uns: Warum veredelt die Politik mit ihren wohlwollenden Statements zu Richtfesten und Einweihungen immer wieder Bauprojekte, die bei Lichte betrachtet maximale Mieten, maximale Verdichtung und anonyme Stadtstrukturen fördern?

Vielleicht müssen wir, nachdem wir erst neulich von führender Stelle vernommen haben die Darmstädter hätten zu wenig „Ambiguitätstoleranz“ (die Fähigkeit, Vieldeutigkeit und Unsicherheit zur Kenntnis zu nehmen und ertragen zu können), einfach noch ein wenig üben.

Wer also eine Wohnung sucht: Hier sind seit längerer Zeit viele frei. Einzug sofort möglich. Denn: Darmstadt hat kein Problem mit fehlenden Wohnungen. Wohnungen stehen genügend frei. Darmstadt hat ein Problem mit Wohnungen, die Menschen mit ihrem Einkommen bezahlen können. Ein feiner Unterschied.

Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.