Auf eine Cola oder ein Bier vorbeikommen, mit dem netten Wirt oder Wirtin ein Schwätzchen halten, zufällig Nachbarn aus dem Quartier treffen – und vielleicht ein leckeres Essen genießen: Die Kneipe im Quartier.
Kneipe steht hierbei als Synonym auch für Cafe´s, Imbisse oder Restaurants. Als Orte der ungezwungenen sozialen Begegnung. In einer kleinen Serie auf diesem Blog möchten wir das Kneipensterben bei uns im Quartier in und um die Postsiedlung, in Bessungen und Darmstadt-West thematisieren. Heute: Das große Sterben der Kneipen in der Karlstraße.
Zugegeben, wir haben uns dann doch geärgert, als wir in einem Echo-Artikel vom 20.12.2021 über das Kneipensterben im Martinsviertel das Statement des OB hierzu gelesen haben.
Zitat aus dem Artikel:
(…) Doch bei der Stadt sieht man die Entwicklung weniger negativ, wie Oberbürgermeister Jochen Partsch und PIanungsdezernat in einer Stellungnahme auf ECHO-Anfrage erläutern: Es sei verständlich, dass sich Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit zuvorderst mit den negativen Auswirkungen und Verlusten befassen. “Für eine Gesamtbeurteilung sind jedoch auch die positiven Entwicklungen in den Quartieren zu betrachten.” So steige das Angebot an Schulen und Betreuungseinrichtungen (…)
Hmh. Eine spannende Antwort aus dem OB-Büro. Schließlich ging und geht es ja um den zunehmenden Verlust von Kneipen als wichtige soziale Orte in der Stadt. Nimmt eine Antwort, die sagt: Wir haben stattdessen aber tolle Schulen, Kindergärten und Spielplätze, die Problematik ernst?
Wir sagen nicht, dass Kommunalpolitik der entscheidende Player ist, diese Entwicklung grundlegend zu stoppen. Aber könnte man nicht einfach öffentlich sagen: Hey, diese Entwicklung sehen wir kritisch. Eine lebendige Stadt braucht Kneipen als soziale Orte und Begegnungsräume. Uns als Stadtregierung tut jede Kneipe weh, die schließen muss. Außerdem könnte man vor Ort kommen, mit den betroffenen Kneipiers ein Bier trinken und durch persönliche Präsenz klar machen, dass man das Problem erkannt hat. Das wäre ein erster Schritt. Und ein Signal.
Gut. Vielleicht ist das zu viel verlangt. Man muss Kneipen-Kultur nicht mögen. Aber man muss wissen, dass diese Orte für ganz viele Menschen in der Stadt ein wichtiger Faktor im sozialen Miteinander sind.
Was passiert, wenn man u.a. die Immobilienwirtschaft einfach machen lässt, das ist seit geraumer Zeit in Bessungen zu besichtigen. Kommen Sie mit, wir machen mal einen kleinen Rundgang zum Kneipensterben in Bessungen:
Karlstrasse 67: Ehemalige Pizzeria Mania + Quartier-Kiosk:
Über viele Jahre gab es hier eine der besten Pizzen in der Stadt. Ein netter Wirt, ein paar Tische, zur Mittagszeit viel Kundschaft von der Deutschen Rentenversicherung gegenüber, Abends die Nachbarschaft aus dem ganzen Quartier. Dazu eine humane Preisgestaltung. Nette Unterhaltung über die Theke in die offene Küche inklusive. Im Sommer konnte man auch mit einem Bier auf den Mäuerchen drumherum sitzen oder in den Wolfkehlchen Park weiterziehen. Am Puls des Quartiers. Da ein Immobilienentwickler großes vor hat, wurde dem Wirt vor über drei Jahren gekündigt. Dem netten Kiosk nebendran ebenfalls. Seitdem tut sich nichts. Außer: Die Preise für das Grundstück sind weiter gestiegen…
Karlstrasse 98: Ehemaliges italienisches Restaurant Amalfi:
Das Amalfi war ein italienisches Restaurant, wie man es jedem Quartier wünscht. Freundliches Team, gute Küche mit vielen kulinarischen Überraschungen. Ein Ort um lange Abende bei Rotwein zu genießen. Seit drei Jahren Geschichte. Jetzt ist dort ein Unverpackt-Laden.
Karlstrasse 102: Ehemaliges indisches Restaurant Rangoli
Wo war denn hier ein Restaurant? Auf der gesamten Erdgeschoss-Front, wo jetzt das “Bauzeit”-Büro seinen Sitz hat. Die Verdrängung von Gaststätten für Wohnungen oder Büros hat in Bessungen enorm zugenommen, wir werden hier noch über viele weitere Beispiel berichten. Das nicht mehr existente Restaurant hatte durchaus Charme. Durch die Möglichkeit des Blicks in die Küche war man immer ein Stückchen mittendrin im Geschehen…
Karlstrasse 104: Ehemaliges griechisches Restaurant El Greco
Gleich neben dem Rangoli war Jahrzehnte das griechische Restaurant El Greco. Ein schöner Ort. In den 90er Jahren trafen sich hier nach den Fraktionssitzungen die sog. Fundis der Darmstädter Grünen. Die Realos gingen in die “Tanne” in der Sturzstraße. Geboten wurde bodenständige griechische Küche, welches vom netten Wirts-Ehepaar charmant serviert wurde. Ein Verlust, wenn auch die Kneipenschließung schon einige Jahre her ist.
Wenige hundert Meter, vier untergegangene Gaststätten + zusätzlich noch ein Kiosk und eine Eisdiele. Tatsächlich ist es (nicht nur) in diesem Teil Bessungens deutlich schwieriger geworden, eine nette Kneipe zu finden. Selbst für den Mittagstisch ist es kompliziert geworden.
Doch diese Geschichte ist noch nicht fertig erzählt. Die Karlstraße wird zur Bessunger Straße, der wir im nächsten Teil auf der Spur nicht mehr existenter Kneipen folgen werden…
Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.