You are currently viewing Soziale Hilfe: Zwei Umzüge für einen neuen Horizont – wir geben solidarischen Rückenwind…

Soziale Hilfe: Zwei Umzüge für einen neuen Horizont – wir geben solidarischen Rückenwind…

  • Beitrags-Autor:

Viele Menschen denken ja: Ich habe einen netten Partner und Familie, einen guten Job, eine schöne Wohnung. Kurzum: Ein rundrum geregeltes Leben. Wir kommen gut mit uns und der Welt klar. Wie sagte mal ein bekannter FDP-Politiker? „Wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht.“ Dann steigen sie doch mal in ein Gedankenexperiment ein, was sich 1:1 bei uns im Quartier so abgespielt hat. Und in dieser Art gar nicht so selten ist:

Ihr bürgerliches Leben war solange klar und geregelt, bis sie auf einmal ein Schlaganfall ereilte. Leider verläuft es medizinisch nicht gut, sie sind ab sofort ein behinderter Mensch. Da ihnen ihr Arbeitgeber eröffnet, sie mit dieser Behinderung nicht mehr gebrauchen zu können, sind sie gar nicht allzu lange Zeit später Erwerbsminderungsrentner. Mit kleiner Rente, da sie früher einen ganz normalen Job gemacht haben und nicht Oberstudienrat gewesen sind.

Tino und Tim mit einem Teil der neuen Küche…
Axel bepackt sein Auto, Gott sei Dank ein Kombi…

Diese Situation nagt an ihnen. Körperlich. Seelisch. Sie werden unzufrieden mit sich und der Welt. Ihr Partner kann dies immer schwieriger ertragen. Er hat sich sein künftiges Leben auch ganz anders vorgestellt.

Dann: Die Trennung. Sie werden vor die Tür gesetzt. Der Staat bietet ihnen eine Unterkunft in einer städtischen Obdachlosenunterkunft an. Zuerst im Mehrbettzimmer, perspektivisch im Doppelzimmer. Plötzlich sind sie umgeben von Menschen, die Alkohol- und Drogenprobleme haben. Keine Perspektive. Sie schlafen dann doch lieber unter freiem Himmel. Wohnungsamt, Bauverein und andere sagen: Wir haben keine Wohnung für sie frei.

Boiler, Wasserhahn, Anschlüsse – viel zu tun!
Löcher für die neuen Hängeschränke…

Doch sie haben Glück: Engagierte in und um Zusammen in der Postsiedlung e.V. setzen Himmel und Hölle in Bewegung. Dann ist eine kleine Wohnung bei einem privaten Vermieter in der Innenstadt da. Doch: Sie haben nichts um die Wohnung einzurichten. Unser Umsonstladen hilft: Viele, viele Kisten mit schönen Dingen für die neue Wohnung werden gefüllt. Dann der Einzug an diesem Wochenende. Aufatmen. Ankommen. Zur Ruhe kommen.

Das lange Sofa passt vom Treppenhaus nicht ums Eck in die Wohnung, daher die zweieinhalbstündige fachmännische Demontage…

Dieses Wochenende, andere Situation, anderer Mensch:

Es ist viel passiert in seinem Leben. Damals: Abgeschlossene Ausbildung, gelungener Berufseinstieg. Technik ist genau sein Ding. Dann will der Chef immer mehr: Überstunde um Überstunde, Arbeit auch am Samstag und Sonntag, natürlich nicht offiziell. Der Druck steigt. Der Kessel platzt. Ausstieg aus dem Job. Die Arbeitgeber wechseln häufiger. Dann kommen da die Drogen. Wegbeamen von der Realität. Der Weg nach unten dauert ein paar Jahre. Dann Obdachlosenunterkunft, die Container in der Nähe der Autobahn. Ganz unten.

Wie bei einer OP: Das Sofa wehrt sich, aber am Ende wird alles gut…
Keine Sorge – später kommt der Sofa-Überzug wieder drüber, sieht dann Tip-Top aus.

Dann eine Wohnung in einem mehr als sanierungsbedürftigen Haus in Bessungen. Besser als nichts. Aber kein Ort um neue Hoffung zu gewinnen. Verharren im Elend. Der neue ehrenamtliche gesetzliche Betreuer ist bei Zusammen in der Postsiedlung engagiert. Gemeinsam wird an vielen Ecken angepackt. Schließlich auch eine neuen Wohnung im Landkreis Darmstadt-Dieburg gefunden. Super saniert und renoviert, lichtdurchflutet. Da kein Geld da ist, organisiert unser Verein Möbel, Handwerker, eine Küche. Vereinsaktive bauen an diesem Wochenende alles auf. Vorab war schon klar: Von den Sozialbehörden ist leider nichts zu erwarten. Doch mit dem nachbarschaftlichen Netzwerk gelingt es die Wohnung neu einzurichten. Sogar die Schränke werden mit Lebensmitteln und Drogeriebedarf gefüllt. Auch hier: Endlich ankommen nach einer langen, schwierigen Zeit. Das erste wahrgenommene Lachen seit mindestens drei Jahren.

Was nicht geht: Leere Schränke ohne Befüllung. Daher haben wir eine passende Befüllung auch dabei 🙂
Auch ein Drogerie-Set mit Putzmitteln und Co.

Ein Wochenende im Quartier in und um die Postsiedlung. Dass uns bestärkt, wie wichtig solidarische Nachbarschaftshilfe ist…

Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.

(Fotos: Bastian Ripper)