Endlich: In einem kleinen Festakt wurde diese Woche die Hindenburgstraße in Darmstadt-West in Fritz-Bauer-Straße umbenannt. Es folgen noch sechs weitere Straßen, wobei hier mit der Brandisstraße, die nach Jonathan Heimes umbenannt wird, eine weitere Straße im Quartier betroffen ist.
OB Jochen Partsch: „Würdiges Ende eines zehnjährigen Diskussions- und Entscheidungsprozesses“ / Ordnungsdezernent Wandrey: „Dank an die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich an der Namensfindung beteiligt haben.“
Die Darmstädter Hindenburgstraße heißt ab sofort Fritz-Bauer-Straße. Oberbürgermeister Jochen Partsch und Ordnungsdezernent Paul Wandrey haben bei einem Ortstermin die Umbenennung vorgenommen. Auch sechs weitere Darmstädter Straßen erhalten nun neue Namensschilder. Die Umbenennung folgt dem entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom Ende vergangenen Jahres; zuvor hatte ein von OB Partsch einberufener Fachbeirat empfohlen, insgesamt acht Darmstädter Straßen und Plätzen ihren bisherigen Namen abzuerkennen.
„Mit dem Anbringen der neuen Schilder geht jetzt sichtbar ein über zehn Jahre währender Prozesse zu Ende“, erläuterte OB Jochen Partsch. „Allein diese Zeitspanne ist ein Zeichen, dass die Wissenschaftsstadt Darmstadt es sich wahrlich nicht leicht gemacht hat. Straßennamen sind ein Ausdruck öffentlicher Würdigung, sie kennzeichnen nicht nur einen Ort, sondern sie ehren auch den Namensträger und die Namensträgerin. Ist diese Würdigung noch angemessen? Dieser Frage sind wir mit einer sorgfältigen Prüfung von Lebensläufen und Lebensleistungen der Geehrten, ihrem Wirken und – vor allem – ihrer Verstrickung in den Nationalsozialismus nachgegangen. Die Neubenennung wiederum sollte der Würdigung von Menschen gerecht werden, die vorbildlich für Frieden, Toleranz, demokratisches Engagement und kulturelle Vielfalt einstehen. Hier an diesem Ort wird dies beispielhaft deutlich. Paul von Hindenburg hat der Etablierung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes in erheblichem Maße Vorschub geleistet; Fritz Bauer dagegen hat als hessischer Generalstaatsanwalt seine ganze Kraft der Aufdeckung und Ächtung der nationalsozialistischen Verbrechen gewidmet. Mit seiner unerschütterlichen Haltung ist er ein Vorbild auch für uns heute.“
Ordnungsdezernent Paul Wandrey, zuständig auch für das Vermessungsamt, erinnerte daran, dass der Prozess der Namensneufindung unter größtmöglicher Beteiligung der Öffentlichkeit vollzogen wurde. „Das betrifft natürlich die Menschen, die in der jeweiligen Straße ihr Zuhause haben, ja dort vielleicht schon Jahrzehnte wohnen und so mit dem Straßennamen verbunden sind“, so Wandrey. „Zugleich jedoch sind alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mit den Namen, den Identitäten aller Straßen und Plätze verbunden. Deshalb sollten auch alle die Möglichkeit haben, an diesem Prozess mitzuwirken, neue Namen vorzuschlagen – und auf diese Weise die kulturelle Topografie der Wissenschaftsstadt Darmstadt mitzugestalten. Dem Engagement der vielen Mitwirkenden gilt daher unser Dank.“
Den Anfang des Straßenumbenennungsprozesses machte der Beschluss der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung vom Februar 2013, die Namensgeberinnen und -geber von Darmstädter Straßennamen daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie in die NS-Diktatur verstrickt waren und ob deren Leben bzw. deren politische Einstellung den Werten einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft entspricht. Der von Oberbürgermeister Partsch beauftragte und geleitete Fachbeirat, dem Historikerinnen und Historiker sowie Beschäftigte der städtischen Kulturverwaltung angehörten, führte die Prüfung der Straßennamen auf der Grundlage der Recherchen und wissenschaftlichen Vorarbeiten des Büros für Erinnerungskultur (Babenhausen) durch. Die nachfolgenden Straßen werden umbenannt:
- Umbenennung der Alarich-Weiss-Straße nach dem Nobelpreisträger für Physik Peter Grünberg (1939-2018);
- Umbenennung der Brandisstraße nach Jonathan Heimes (1990-2016);
- Aberkennung der Widmung des zum großen Teil auf dem Griesheimer Stadtgebiet liegenden Georgiiplatzes nach Walter Georgii, über einen neuen Namen wird noch befunden;
- Umbenennung der Kranichsteiner Grundstraße nach der Kinder- und Jugendbuchautorin sowie Übersetzerin Mirjam Pressler (1940-2019);
- Umbenennung der Hindenburgstraße nach dem Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968), der unter anderem den Frankfurter Auschwitzprozess initiierte;
- Umbenennung des Kleukenswegs nach der Tänzerin und Tanzpädagogin Elizabeth Duncan (1871-1948);
- Umbenennung des Kuhnwegs nach der ersten weiblichen Stadtverordneten der Nachkriegszeit, Ruth Horn (1908-1987);
- Umbenennung der Von-der-Au-Straße nach der Darmstädter Reiseschriftstellerin Milli Bau (1906-2005).
Diesen Empfehlungen haben sich dann Ende 2022 die Stadtverordnetenversammlung und der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt mit großer Mehrheit angeschlossen. Bereits 2021 war das Verfahren in einem Online-Symposium erörtert worden; daneben wurde der Prozess 2021 von einer Ausstellung sowie einer Veranstaltung zur Bürgerinformation begleitet. Zeitgleich konnten Bürgerinnen und Bürger über die städtische Beteiligungsplattform Vorschläge für Umbenennungen einreichen. Insgesamt hatten die Bürgerinnen und Bürger 170 Vorschläge eingereicht.
Wir freuen uns über die Umbenennungen dieser Straßen und bedanken uns bei der engagierten wissenschaftlichen Fachjury und den politischen EntscheidungsträgerInnen für diesen engagierten Schritt!
Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.