von Jan Becker: In den letzten Wochen wurden im Biotop zwei neue Arten gesichtet, die in der jeweils aktuellen Roten Liste Deutschlands als „stark gefährdet“ bzw. sogar als „vom Aussterben bedroht“ gelistet sind. Wichtig dabei zu beachten ist jedoch, dass es sich hier nur um die Situation in Deutschland handelt und die Listen je nach Tiergruppe unterschiedlich alt sind. In anderen Ländern können diese Arten durchaus häufiger sein. Deshalb lohnt sich ein differenzierter Blick auf diese Tiere und ihre Verbreitung weltweit.
Doch nun genug des Vorwortes, nun die Vorstellung beider Arten:
Königskerzen-Zünsler (Paracorsia repandalis)
Der Königskerzenzünsler ist auf der neuesten Roten Liste der Zünslerfalter in Deutschland als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Hier geht es zum Eintrag in der Roten Liste: Detailseite – Rote-Liste-Zentrum.
Die charakteristisch gefärbte, aber nicht allzu große Larve frisst, wie der Name bereits sagt, an Königskerzen, wo sie gesellig in Gespinsten leben, welche sie selbst zum Fraßschutz anlegen. Die erwachsenen Falter sind sehr unauffällig braun-grau gefärbt und ebenfalls mit nur ca. 2 cm Flügelspanne ziemlich klein.
Betrachtet man die Rote Liste genauer, wird man feststellen, dass diese bereits aus dem Jahr 2011 stammt, also mittlerweile 12 Jahre alt ist! Eine neuere Version ist aber bisher noch nicht erschienen.
In Deutschland tritt die Art nur regional, in wärmeren Regionen auf, nämlich wie viele unserer in Deutschland eher seltener vertretenen Arten entlang des Oberrheingrabens von Freiburg bis Wiesbaden. In diesem Bereich wurde der Königskerzen-Zünsler bisher 23-mal auf iNaturalist beobachtet.
Darüber hinaus besitzt der Falter ein relativ großes Verbreitungsgebiet in den wärmeren Regionen Europas (s. Karte).
Beobachtungen des Königskerzen-Zünslers auf iNaturalist in Europa.
Fazit: Der Königskerzen-Zünsler ist in Deutschland immer noch ein seltener Gast, und nur in Südwestdeutschland zu finden. Die Einstufung als „vom Aussterben bedroht“ ist aus meiner Sicht aber nicht mehr gerechtfertigt. Berücksichtigt man die weite Verbreitung des Falters und sein häufigeres Auftreten in Südeuropa, ist diese Art in ihrem Gesamtbestand ungefährdet.
Diastictus vulneratus
Diasticus vulneratus ist mit nur etwa 3 mm Größe ein sehr kleiner Vertreter der Blatthornkäfer und damit ein Verwandter z.B. des Maikäfers oder der Rosenkäfer. Wie diese ist auch er ein reiner Vegetarier. Auf der aktuellen Roten Liste der Blatthornkäfer ist er als „stark gefährdet“ eingestuft. Hier geht es zum Eintrag in der Roten Liste: Detailseite – Rote-Liste-Zentrum.
Im Gegensatz zur Roten Liste der Zünsler ist diese Rote Liste von 2021 und damit noch ziemlich aktuell. Außerdem waren die Autoren hier so freundlich, gleich eine ganze Reihe an Zusatzinformationen zu diesem kleinen Käfer mitzuliefern, über den man sonst im Internet praktisch so gut wie gar nichts in Erfahrung bringen kann.
So ist diese Art als „Steppentier“ an traditionell bewirtschaftete Magerrasen in wärmeren Gebieten gebunden. Da diese Flächen zurückgehen, ist auch der Bestand dieses seit jeher seltenen Käfers starkgefährdet.
Für Diasticus vulneratus ist es der erste Nachweis in Darmstadt. Die nächsten in der Roten Liste beschriebenen Fundstellen liegen in Viernheim und bei Mainz.
Für die Gesamtverbreitung der Art habe ich an dieser Stelle mal nicht auf die Karte von iNaturalist zurückgegriffen, da es hier (inkl. meiner Beobachtung) nur drei Beobachtungen von zwei Fundstellen weltweit gibt, sondern auf die Karte der GBIF (Global Biodiversity Information Facility), da in dieser auch andere Nachweise, z.B. aus Publikationen enthalten sind.
Nachweiskarte von Diasticus vulneratus auf GBIF.
Auch hier sieht man ein großes Verbreitungsgebiet, von Ungarn bis Südschweden. Allerdings ist die Art auch in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet nur lokal verbreitet, was mit ihren Ansprüchen an den Lebensraum zu tun hat. Deshalb ist diese Art auch überall selten.
Die Autoren der aktuellen Roten Liste vermuten hier sogar eine erhöhte Verantwortlichkeit Deutschlands für den Schutz der Art, vermutlich aufgrund der zentralen Lage im Verbreitungsgebiet.
Fazit: Aufgrund der Aktualität der Datenlage und der engen Bindung an den Lebensraum Magerrasen ist die Einschätzung als stark gefährdet in diesem Fall meines Erachtens gerechtfertigt.
Diese Art ist ein großer Profiteur von der Errichtung unseres Biotops und ist ein Grund mehr, warum es sich lohnt das Biotop auch weiterhin gut zu pflegen!
Die Postsiedlung – Biodiversität findet Stadt.