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Kneipensterben im Quartier (3): Von Bessungen nach Darmstadt-West

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Auf eine Cola oder ein Bier vorbeikommen, mit dem netten Wirt oder Wirtin ein Schwätzchen halten, zufällig Nachbarn aus dem Quartier treffen – und vielleicht ein leckeres Essen genießen: Die Kneipe im Quartier.

Kneipe steht hierbei als Synonym auch für Cafe´s, Imbisse oder Restaurants. Als Orte der ungezwungenen sozialen Begegnung. In einer kleinen Serie auf diesem Blog möchten wir das Kneipensterben bei uns im Quartier in und um die Postsiedlung, in Bessungen und Darmstadt-West thematisieren. Heute: Von Bessungen nach Darmstadt-West.

Wie viele Kneipen nicht mehr da sind, fällt einem erst dann auf, wenn man sich konkret auf Spurensuche begibt. Nachdem die Karlstraße im Teil 2 unserer kleinen Serie endet, mündet sie direkt in die beginnende Bessunger Straße.

Bessunger Straße 19-23: Ehemalige Gaststätte Wein-Schlamp:

Mit dem Tod von Friedel Schlamp im Mai 2021 ging in der Bessunger Straße 19 eine Ära zu Ende. Seit den 60er Jahren existierte an dieser Stelle eine große Weinhandlung nebst angesehener Weinstube. Das Darmstädter Echo schreibt in seinem Nachruf im Mai 2021:

„Friedel Schlamp wurde im Jahr 1934 im rheinhessischen Wöllstein als Sohn einer Weinhändler-Familie geboren. Auf Wunsch der Mutter zog man 1953 nach Darmstadt, wo einige Hotels und Restaurants Kunden der Familie waren. 1962 gründete Friedel Schlamp mit der Bessungerin Hannelore Fuchs eine eigene Familie, die mit Sohn Friedhelm und Tochter Steffi komplettiert wurde. Aus dem bescheidenen Anfang in der Bessunger Straße 19 wurde ein veritables Unternehmen und zum Weinhandel kamen noch eine gemütliche Probierstube und eine einladende Gartenlokalität. Friedel und Hannelore waren bis zuletzt perfekte und angesehene Gastgeber. Man traf sich bei Schlamps und ein besonderes Idiom verfestigte sich, wenn die Frage gestellt wurde: „Wo treffen wir uns nach dem Bessunger Kerbeumzug am Sonntag?“ Denn dann kam die eindeutige Antwort: „Ei beim Schlamp!“

Nach Lage der Dinge wird die Weinhandlung für immer geschlossen bleiben.

Bessunger Straße 29: Ehemalige Pizzeria La Strada:

Eine nette Pizzeria im Quartier im Ladengeschäft einer ehemaligen Metzgerei. Nette Gastwirte, super Pizzen. Der Neubau eines großen Mehrfamilienhauses führte zu ihrem Ende. Jetzt ist dort teures Wohnen. Leider konnten wir keine Original-Fotos mehr finden…

Nebenan (jetzt Haus mit rotem Dach, Vorgängerhaus auch abgerissen) war mit dem „Kebab-Haus“ einer der ersten Döner-Imbisse der Stadt. Im dortigen Neubau ist jetzt ein kleines veganes Café mit leckerem Mittagstisch 🙂

Bessunger Straße 33: Ehemalige Pizzeria Pizza e Pezzi:

Der ehemalige kleine Supermarkt an dieser Stelle hat in den letzten Jahren eine wechselvolle Geschichte erlebt. Von 2017 bis 2019 war hier die Pizzeria Pizza e Pezzi zu Hause, welche die QuartierbewohnerInnen mit leckeren Speisen lockte. So schnell wie sie da waren, waren sie auch schon wieder weg. Schade!

Bessunger Straße 37: Ehemalige Kneipe Knusper-Häuschen

Das Knusper-Häuschen: Eine lange Theke, glimmende Zigaretten, frisch gezapftes Pils und viel zu erzählen. Jetzt für immer geschlossen. Obwohl es doch diese Orte sind, die für viele Menschen so wichtig sind, ein Stück Heimat waren. Wir wissen doch: Der beste Platz ist immer an der Theke. Wer hat noch Aufnahmen vom laufenden Betrieb?

Wir folgen den Straßenbahnschienen der Linie 3, die Bessunger Straße werden wir in einem weiteren Teil dieser kleinen Serie hinabfahren.

Ludwigshöhstraße 19: Ehemalige Kneipe Pictor Domus

Bis 2014 war hier noch jede Menge los, was der Veranstaltungskalender eindruckvoll belegt:

http://www.pictordomus.de/veranstaltungen.html

Los ging es von Montag – Samstag immer erst um 19:00 Uhr, dafür aber dann auch bis 1:00 Uhr in der Nacht. Eine kleine Quartier-Kneipe, wie man sie sich nur wünschen kann. Ein Verlust.

Ludwigshöhstraße 35: Ehemalige Kneipe Globus

Urig, gemütlich und Versammlungsort der Dart-Spieler. Als in der Bessunger Knabenschule noch regelmäßig politische Abendveranstaltungen stattfanden, wurde hier Abends noch bei einem Bier der Abend beschlossen. Legendäre Pommes eingeschlossen. Jetzt sind fast alle Kneipen rund um das Kulturzentrum Geschichte. Wer hat noch Bilder der Globus-Kneipe?

Wir biegen links am Kulturzentrum Bessunger Knabenschule in die Herrngartenstraße, dort war an der Ecke zur Prälat-Diehl-Straße einmal:

Prälat-Diehl-Straße 1: Ehemalige Gaststätte Orangerie-Garten

Einen gepflegten Absacker am Abend, vielleicht noch unter den Platanen im wunderschönen Garten? Der Orangeriegarten war eine gepflegte Kneipe, wahrscheinlich besser als Bar bezeichnet. Hier konnte man eine angenehme Zeit mit Freunden verbringen. Jetzt ist hier die „Emotionale Erste Hilfe“…

Zurück zur Ludwigshöhstraße und von dort, auch gleich die Weinbergstraße runter bis zur Ecke Kiesbergstraße. Hier war einmal:

Weinbergstraße 10: Ehemalige Gaststätte „Das Pfännchen“ (ehemals „Kartoffelkiste“, davor ehemals „Limit“)

Die Gaststätte „Das Pfännchen“ eröffnete hier am 01.09.2007 in der Nachfolge der gemütlichen Gaststätte „Kartoffelkiste“ (der Name war Programm), davor Gaststätte „Limit“seine Pforten. Noch einige Jahre wurde hier regionale Küche gebrutzelt, bis die Gaststätte dann zu Gunsten von Wohnraum (wie so oft in Bessungen!) zurückgebaut wurde. Auch hier sind keine Innenaufnahme oder Logos der Gaststätten überliefert. Wer kann helfen?

Wir fahren die Kiesbergstraße entlang und münden in die Moosbergstraße, rollen den Berg hinunter. Direkt an der Einmündung in die Heidelberger Straße steht das Hotel Regina, das im Keller ehemals den Bessunger Weinkeller beherbergte…

Mossbergstraße 94: Ehemaliger Bessunger Weinkeller

Wer hier in den Jahrzehnten da war, in denen Wirtin Gaby das Zepter schwang, der weiß um die urige Gemütlichkeit des Bessunger Weinkellers. Und die unendliche Herzlichkeit seiner legendären Wirtin. Grundsätzlich machte Gaby immer erst dann Feierabend, wenn der letzte Gast zufrieden den Heimweg antreten wollte. Das konnte dann auch spät werden 🙂 Der Bessunger Weinkeller war eine Institution, der nur durch einen Nebenkosten-Streit, angezettelt von den ehemaligen Hotel-Besitzerin, sein Ende fand. Ihre Gäste hätten Gaby nicht im Stich gelassen. Seitdem steht der Weinkeller leer. Wahrscheinlich auch, weil bei einer neuen Konzession die aktuellsten Richtlinien von Brandschutz etc. ihre Gültigkeit entfalten würden. Sehr, sehr schade!

Unsere kleine Tour ist für heute am Ende. Wenige hundert Meter sind wir gewandelt, gleich neun ehemalige Gaststätten haben wir aufgespürt. Kleine soziale Orte, die für viele Menschen im Quartier eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hatten, haben sich in Luft aufgelöst.

Doch wir sind noch nicht am Ende und werden unseren Rundgang zum Kneipensterben im Quartier weiter fortsetzen…

Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.