In einer kleinen Serie schauen wir genauer auf den Neubau-Boom in Darmstadt-West & unserem Quartier in und um die Postsiedlung und stellen die Frage, wer hier eigentlich was genau baut und welche sozialpolitischen Folgen dies für unser Quartier hat.
Heute: Die kommenden Herzog-Höfe in der Eschollbrücker Straße/ Ecke Donnersbergring
Noch laufen die Abriss-Arbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Fernmeldetechnischen Zentralamts (FTZ), welches seine beste Zeit hatte, als es die Telekom noch nicht gab und Telefonanschlüsse nur hierüber zu erhalten waren…
Bauherr dieses Wohnprojektes ist die PROJECT Immobilien Wohnen AG aus Nürnberg. Die Firma schreibt über sich selbst:
“Die PROJECT Immobilien Wohnen AG entwickelt und verkauft urbane Wohnquartiere in den Metropolregionen Deutschlands. Als einer der bundesweit größten Projektentwickler prägt das Unternehmen derzeit das Stadtbild der sechs Wachstumszentren Berlin, Rheinland, Rhein-Main, Hamburg, München und Nürnberg maßgeblich mit. (…) Als eines von wenigen Unternehmen der Immobilienbranche schöpft die PROJECT Immobilien Gruppe bei allen Bauvorhaben ausschließlich aus Eigenkapital.“
Auf einer eigenen Internetseite präsentiert sich das Projekt professionell:
https://www.project-immobilien.com/darmstadt/immobilien/eschollbruecker-strasse/
Insgesamt sollen auf der Neubau-Fläche entlang der beiden Hauptverkehrsstraßen Donnersbergring und Eschollbrücker Straße 161 Eigentumswohnungen in verschiedenen Größen in typischer Wohnblock-Struktur errichtet werden.
Auch bei diesem Projekt interessiert uns natürlich, ob der von politischen Akteuren stets wie ein Mantra vorgebetete Satz, nur der massive Neubau sorge für verträgliche Mieten, der gelebten Wirklichkeit entspricht. Können hier Familien mit einem für Deutschland durchschnittlichen Gehalt eine Wohnung finden?
Die Preise: Prominent. Um die 6000,- Euro pro Quadratmeter werden aufgerufen, mitunter auch 6250,- Euro. So kommt dann auch schnell eine halbe Millionen Euro für eine 3-Zimmer-Wohnung zusammen, die in Erdgeschoss oder 1.OG-Lage zusätzlich den Charme aufweist, dass man den wenigen Meter vom eigenen Fenster vorbeidonnernden Verkehr im Detail beobachten kann.
Bei einem Kaufpreis von 500.000 Euro fallen in Hessen nochmals deutlich über 60.000 Euro Gebühren im Kontext mit dem Kauf an (Notar- und Grundbuchkosten, Grunderwerbssteuer) an. Von den Zinsen bei jahrzehntelang laufenden Krediten gar nicht erst zu sprechen.
Der durchschnittliche Verdienst aller Arbeitnehmer betrug im Jahr 2020 3092 Euro brutto im Monat. Das durchschnittliche Netto-Gehalt lag bei 2084 Euro. (Quelle: Statistisches Bundesamt).
Gehen wir davon aus, dass eine Durchschnitts-Familie mit viel Kraftanstrengung monatlich 1100,- Euro an Krediten zurückzahlen kann – sie werden bei diesen Preisen bis ins hohe Alter abbezahlen müssen: Fast 50 Jahre.
Doch selbst wenn auch hier – wie fast überall bei Neubauprojekten in Darmstadt-West – KapitalanlegerInnen kaufen und später vermieten: Welche Mieten werden hier zu erwarten sein?
Bereits nach der dritten Vorstellung eines aktuellen Neubau-Projektes in Darmstadt-West auf dieser Internetseite kann als Zwischenbilanz festgehalten werden, dass ausnahmslos Wohnungen errichtet werden, bei denen zu maximalen Preisen auch maximale Profite erwirtschaftet werden. Bedingt durch die schon länger anhaltende Zins-Flaute, verlagern anscheinend immer mehr reiche KapitalanlegerInnen ihre Investitionen in die als “Beton-Gold” bezeichnete Immobilienbranche. Hier wird nach wie vor bestens verdient.
Auf der Strecke bleiben Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner, die häufig mit ihrer täglichen Arbeit im Einzelhandel, der Gastronomie, als Busfahrerin oder Krankenpfleger den lebendigen Motor einer Großstadt darstellen. Sie werden von dieser Entwicklung in eine Art soziale Geiselhaft genommen und dazu genötigt, immer größere Teile ihres erwirtschafteten Lohns an Mietzahlungen abzugeben.
Experten sprechen von einer „Überlastungsgrenze“ von Mieterinnen und Mietern, wenn pro Monat mehr als 30% des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens für die Miete aufgewendet werden muss. Nach einer aktuellen und großangelegten bundesweiten Studie der Berliner Humboldt-Universität (siehe Darmstädter Echo vom 16. und 17.06.2021), zahlt bereits jetzt die Mehrheit der Darmstädterinnen und Darmstädter, nämlich 58,7% der Mietenden, über 30%.
Satte 37,9% – also über ein Drittel – der Darmstädter Miethaushalte müssen über 40% ihres Netto-Einkommens aufwenden, über ein Fünftel, nämlich 20,9%, sogar die Hälfte des ihnen monatlich zur Verfügung stehenden Geldes.
Wohnen in Darmstadt-West: Immer stärker ein Privileg von Reichen?
Wir von Zusmammen in der Postsiedlung e.V. verfolgen diese Entwicklung mit größter Sorge. Soziale Verdrängung durch nicht mehr bezahlbaren Wohnraum führt zu massiven sozialen Unfrieden. Sozialer Unfriede ist wiederum die Quelle von vielen ganz schwierigen Entwicklungen, die am Ende des Tages auch demokratiegefährdend sind.
Wir werden weiter über diese bersorgniserregende Entwicklung berichten.
Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.