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Ärztliche Versorgung im Quartier: Hausbesuche ohne Hürden sind notwendig!

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Wann waren Sie zum letzten Mal so richtig krank? Also nicht nur etwas Halsweh, sondern hohes Fieber, deftige Kreislaufschwierigkeiten und einen Husten, den Nachbarn noch einen Block weiter hören?

Eigentlich wäre es da doch eine gute Idee, wenn der Hausarzt in so einem Fall zu Ihnen kommen würde. Denn selbst die 1000 Meter zur Praxis können in solchen Fällen zu gefühlten 10km werden. Noch dazu, dass man seine Krankheitserreger ja auch nicht unbedingt an weitere Patienten in der Praxis weitergeben möchte, die dort eigentlich nur wegen der Zeckenschutz-Impfung oder anderen Routineangelegenheiten sitzen.

Wenn jetzt ihr Hausarzt aber keine Hausbesuche macht? Einfach, weil es sich für ihn finanziell nicht lohnt, zu viel Aufwand ist und er auch ohne diese anzubieten eine gefüllte Praxis und seine Einnahmen hat?

In einem konkreten Fall bei einer fast 90jährigen Frau aus dem Quartier, die stark erkältet war und auch blutigen Hustenauswurf entwickelte, wurde am Telefon nach Rücksprache mit der Ärztin ein Hausbesuch abgelehnt. Man müsse schon selbst in die Praxis kommen. Und wenn die Person das aufgrund des Gesundheitszustandes nicht könne? Dann könne man ja den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) anrufen, so die Sprechstundenhilfe. An dem Montag, an dem wir vom Quartierladen dort angerufen haben, kommt der ÄBD ab 19:00 Uhr. 10 Stunden nach dem Anruf in der Praxis.

Aber ist das die Lösung? Ersetzt der ÄBD die Hausbesuche von Allgemeinmedizinern, die diese aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus nicht anbieten wollen?

Postsiedlung anno 1950

In dem konkreten Fall im Quartier nahm sich ein Aktiver des Vereins den Nachmittag beruflich frei, mietete ein Carsharing-Auto und fuhr die Dame samt Rolllator in die Praxis. Medizinisches Ergebnis: Lungenentzündung. Eine breite Palette an Medikamenten und Bettruhe war die Folge.

Wir fragen uns: Was wäre eigentlich passiert, wenn niemand da gewesen wäre, der den Transport in die Praxis organisiert hätte? Da betrifft es ja nicht nur ältere Menschen. Auch jüngere Menschen in Single-Haushalten, Alleinerziehende, chronisch Kranke… Die Aufzählung von Menschen in Lebenslagen, die nicht unmittelbar helfende Hände im eigenen Haushalt haben, ist sicherlich noch viel länger. Und die sollen jetzt alle den ÄBD anrufen? Oder gleich die 112? Oder still zu Hause leiden?

Wir finden das ziemlich verrückt. Letztendlich wird durch den Wegfall von Hausbesuchen ein integraler Bestandteil der Gesundheitsfürsorge heimlich still und leise weggenommen. Kaum einer bekommt es mit. Es hilft übrigens auch nichts, formal Hausbesuche anzubieten, die Kriterien hierfür aber so hochzusetzen, dass sie faktisch nicht stattfinden.

Mit der Weigerung des Hausbesuchs in dem konkret geschilderten Fall von externer Stelle konfrontiert, wird von der Praxis nunmehr behauptet, man biete doch Hausbesuche an. Es müsse sich bestimmt um ein Missverständnis handeln.

Wir sagen dazu: Oha! Wenn auf einmal die Öffentlichkeit auf das Dilemma blickt, darf auf einmal nicht sein, was augenscheinlich Praxisalltag ist. Da duckt man sich weg und spricht von Missverständnissen. Doch was ist an einer konkreten Anfrage nach einem Hausbesuch falsch zu verstehen?

Wie auch immer. Wir wollen eine Veränderung in diesem Bereich. Ein gutes Beispiel dafür sind mittlerweile die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Die werden dort gerade im großen Stil eingerichtet, da die angeblich so tolle private Niederlassung von Ärzten in Einzelpraxen nicht mehr funktioniert. Dann muss eben der Staat ran. In diesem Fall der Landkreis Darmstadt-Dieburg mit Unterstützung seines Klinikums. Und siehe da: Auf einmal funktionieren z.B. im MVZ Ober-Ramstadt Dinge wie Hausbesuche ganz wunderbar.

Dort kommen sog. Nichtärztliche PraxisassistentInnen (NÄP) zum Einsatz. Diese NÄP´s sind routinierte medizinische Fachangestellte, die ihren Job können. Diese kommen auf Anforderung nach Hause, messen den Blutdruck, nehmen Blut ab, checken den Gesundheitszustand. Und können entscheiden, ob der Einsatz eines Arztes notwendig ist. Alles ganz unbürokratisch und unkompliziert. So einfach kann eine gute medizinische Versorgung gemacht werden. Daher sagen wir: Herzlichen Glückwunsch Landkreis Darmstadt-Dieburg, ihr macht einen guten Job!

Doch wann wacht Darmstadt auf? Wir möchten Taten statt Warten und machen daher ein konkretes Angebot: Wenn uns eine Institution finanziell in die Lage versetzt, dann beschäftigen wir auch NÄP´s und werden zum Leistungsanbieter im SGB V (Krankenversicherungsrecht). Denn wie eine gute Versorgung von kranken Menschen im Quartier aussehen muss, davon haben wir eine konkretes Verständnis.

Das möchten wir auch dem Gesundheitsministerium mitteilen und werden hierzu Jens Spahn kontaktieren – auch wenn solche Briefe dort eher in die Ablage wandern.

Wir bleiben am Thema dran!

Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.