Wir haben in der Vergangenheit immer wieder über teure Horror-Mieten im Quartier berichtet und hierzu u.a. mit unseren Ghostbuster-Aktionen mehrfach demonstriert. Am 15. Juli 2021 berichteten wir über die Neubauten auf dem ehemaligen Druckerei-Gelände der Tageszeitung Darmstädter Echo, die an eine Immobilienfirma verkauft wurde.
Hier der Artikel von damals:
Leider ist es uns damals trotz mehrfacher Gespräche nicht gelungen, eine der zahlreichen dort zugezogenen Familien davon zu überzeugen, in einem Gespräch mit uns die Grundlage für einen Artikel über ihre Miete und den dortigen Wohnverhältnissen zu schaffen.
Einige Jahre später sieht das anders aus. Uns erreichte folgende E-Mail, dessen Absender wir daraufhin zu einem persönlichen Gespräch einluden. Dort bracht er einen dicken Ordner mit Original-Unterlagen mit, in dem wir uns persönlich davon überzeugen konnten, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen.
Er schreibt in seiner Mail:
„Ich bin zufällig auf Ihren Artikel zum Verlegerviertel gestoßen. Da habe ich gelesen, dass Sie noch nicht in Erfahrung bringen konnten wie hoch die Miete für eine 4-Zimmer Wohnung hier sei. Ich wohne mit meiner Familie (Frau und 2 Kleinkinder) in einer 4-Zimmer Wohnung mit 103qm. Wir zahlen 2300€ warm + 90€ für einen TG Stellplatz. Die Stellplätze kosten mittlerweile 107€ – wir haben noch einen alten Vertrag. Bemerkenswert ist, dass wir seit unserem Einzug im Jahr 2021 über 20% Mieterhöhung erhalten haben. Alleine im Jahr, in dem der Krieg begann, waren es +13%.
Interessant ist auch, dass hier der Hausmeisterservice über ein Subunternehmen des Vermieters läuft und extreme Nebenkosten verursacht, die auch jedes Jahr deutlich steigen. Außerdem hat so gut wie jede Wohnung hier (unsere auch) eine Silberfischplage. Was man auch beachten sollte, ist, dass die angezeigten Mietpreise auf der Website von Müller+Merkel so nicht stimmen. Es werden extrem niedrige Nebenkosten angesetzt, so dass die Wohnungen zumindest etwas bezahlbarer erscheinen. Nach der ersten Nebenkostenabrechnung gibt es dann extreme Nachzahlung und eine Korrektur des monatl. Nebenkostenabschlags. Dann ist es für die meisten aber zu spät; wer zieht nach nur einem Jahr schon direkt wieder aus…
Vielleicht finden Sie es ja interessant darüber zu berichten. Wir persönlich haben uns wegen dieser exorbitanten Mieten und Mieterhöhungen entschieden auszuziehen und suchen nun ein Haus außerhalb der Stadt. Das machen wir nur sehr schweren Herzens, weil es uns sehr gut gefallen hat hier mitten in der Stadt zu leben. Allerdings ist es finanziell nicht tragbar. Und was ich von den Nachbarn so höre, scheinen wir da nicht sie einzigen zu sein.
Man sollte eigentlich alle Leute, die Interesse haben hier zu wohnen, laut und deutlich davor warnen. Der Vermieter ist eine seelenlose Holding-Agentur, die Ihre Mieter bis auf den letzten Cent ausquetscht.“

Im persönlichen Gespräch konkretisierte er, was wir auch schon öfters vom benachbarten Neubauprojekt des „Berliner Carree“ und aus Teilen der neuen Lincoln-Siedlung gehört haben: Gerade Familien stehen häufig unter dem großen Druck, dass sie durch Zuwachs oder älter werdenden Kindern (eigenes Zimmer), neuen Job in Darmstadt etc. recht zügig eine neue Wohnung benötigen. Da aufgrund des Mangels wenig bezahlbarer Wohnraum zu finden ist, wird zähneknirschend dann eine teure Wohnung angemietet, um „erst mal in der Stadt“ zu sein. Da die dort aufgerufene Miete das finanzielle Familienbudget allerdings dauerhaft überstrapaziert, ist man auch nach dem Einzug faktisch ständig auf der Suche nach einer neuen, bezahlbaren Wohnung.
Neben dem Stress, der hierdurch verursacht wird, führt das in diesen Neubauprojekten zu einer ständigen Fluktuation der Mieterinnen und Mieter. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Dies wiederum verstärkt den Effekt der Großstadt-Anonymität, der gute und soziale Nachbarschaften sowieso schon erschwert. Wenn die Nachbarn häufig wechseln, verstärkt das eher die soziale Isolation.
Das tut auch den Quartieren nicht gut. Viele Menschen, die aufgrund der Umstände die innere Haltung haben, man sei hier nur kurzweilig „zu Gast“ bzw. „auf Durchreise“, investieren nicht in das soziale Kapital einer guten Nachbarschaft. Und das merkt man diesen Quartieren dann auch recht schnell an.
Fazit: Wenn man politisch nichts dagegen tut, dass Unternehmen wie Industria Wohnen oder VONOVIA den maximalen Profit aus ihren Immobilien quetschen und in Folge Horror-Mieten entstehen, dann darf man sich nicht über anonyme Großstadt-Quartiere wundern.
Fraglich ist auch, warum in der Vergangenheit Oberbürgermeister und Baudezernenten der Stadt diese Profitmonster stets bei den Einweihungen über den grünen Klee loben? Warum tut man das? Fehlt hier die Courage oder sieht man das Problem einfach nicht?
Wir benötigen eine grundlegende Debatte über den Begriff von Gemeinwohl. Wohnen, Gesundheit, Bildung und Ernährung muss der jetzigen Logik von maximalem Profit entzogen werden!
Der Verfasser der o.g. Mail hat mit seiner Familie Darmstadt mittlerweile den Rücken gekehrt und lebt nun im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Zwei Pendler mehr, die fortan den Weg zum Job in Darmstadt antreten.
Hier ein kleiner Einblick in bisherige Aktivitäten der Vergangenheit:


Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.