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Quartier und darüber hinaus: Zur heutigen „Klasse statt Masse“ Aussage des Schlossgrabenfest-Chefs

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„Klasse statt Masse“, so zitiert die Tageszeitung Darmstädter Echo in ihrer heutigen Ausgabe den Schlossgrabenfest-Chef Gutfried in seiner Auswertung des Festes 2022. Das Fest werde mit dem neuen Eintrittssystem „professionalisiert“.

Klasse statt Masse. Sapperlot! Gutfried spricht hier von Menschen. Eine „1. Klasse-Familie“ ist in seinem Weltbild eine Familie, die sich an der Abendkasse ein Ticket für 19,98 Euro kaufen kann. Ab dem 6. Lebensjahr muss voll gezahlt werden. Macht bei zwei Eltern mit zwei Kids schon mal 80,- Euro Eintritt. Für einen Abend. Innerhalb des abgesperrten Bereichs, in der keine Getränke mitgenommen werden dürfen, kostet dann der verkleinerte Becher mit 0,3 l Getränk 3,50 Euro. So ein Familienabend kostet dann deutlich über 100,- Euro. Wer sich das leisten kann und will, ist somit ein “1. Klasse“ Gast. Der Rest bleibt draußen. Die Innenstadt: Abgesperrt.

Der bisherige Konsens der Stadtgesellschaft war: Da organisiert einer ein tolles Fest, gewinnt Sponsoren, verkauft Getränkebecher zu einem annehmbaren Preis und finanziert damit alles. Davon konnte Gutfried und seine Mannschaft die letzten 10 Jahre Schlossgrabenfest über sehr gut leben, in den Corona-Jahren gab es Staatshilfen. Die Stadt stellt dafür Premium-Flächen in der Innenstadt und erhebliche Leistungen von Behörden und Polizei gratis oder für kleines Geld zur Verfügung. Dafür konnten alle kostenlos mitfeiern. Das ist Inklusion in einer Stadtgesellschaft.

Wir kennen nicht wenige Menschen im Quartier in und um die Postsiedlung, auch mit Handicap, die dieses Jahr aus finanziellen Gründen nicht dabei sein konnten. Einer sagte: „Hey, ich bin bei diesen gestiegenen Preisen schon froh, wenn ich mir eine Schale Erdbeeren beim Geibel (Anmerkung: Ein Direktvermarkter-Lebensmittelgeschäft im Quartier) kaufen kann, da ist kein Eintrittsgeld drinnen“. Exklusion statt Inklusion.

Vergessen wir nicht: Gutfried und seine Mannschaft sind mit ihrem Fest Gast in unserer Innenstadt, weil Politik das möglich macht. Wenn Gutfried das bisherige Geschäftsmodell aufkündigt, um künftig noch einfacher Umsatz machen zu können, stellt sich die Frage der politischen Legitimation neu. Das ist die Sternstunde der Lokalpolitik: Wer stellt eine Große Anfrage im Parlament, in der detailliert gefragt wird, welche Beträge die Stadt an Sondernutzungsgebühren und Behördendienstleistung einnimmt, wenn aus dem ehemals weltoffenen Schlossgrabenfest eine Rendite-Maschine geformt wird? Gutfried spricht von „Klasse statt Masse“, die Masse der DarmstädterInnen sollte ihm deutlich machen, was sie von diesem elitären Denken hält.

Bastian Ripper